Startseite » News (Alle) » Pressemitteilungen » 17. Handelsblatt Jahrestagung: Der Weg zum Elektroauto ist ein Marathon

17. Handelsblatt Jahrestagung: Der Weg zum Elektroauto ist ein Marathon

„Das alltagstaugliche, sichere und bezahlbare Elektroauto ist machbar, aber der Weg dahin ist lang“, sagte Prof. Dr. Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender von VW, anlässlich der 17. Handelsblatt Jahrestagung „Die Automobil-Industrie“ Anfang Juli in München. „Es wird ein Marathon und kein Sprint“, betonte er vor den rund 150 Teilnehmern. Die Autobranche stehe mit der Elektromobilität vor einem „fundamentalen technologischen Umbruch“. Einer echten Zeitenwende weg vom Öl, hin zu einer emissionsfreien Mobilität. Das Elektroauto würde dabei eine Schlüsselrolle spielen. Noch müsse aber betont werden, dass es das reine Elektroauto noch gar nicht gäbe, obwohl 80 Prozent der Bevölkerung dies glaubten. VW rechne für das Jahr 2020 mit einem globalen Marktanteil von einem bis 1,5 Prozent an reinen Elektrofahrzeugen. VW werde die neue Kleinwagenfamilie „New Small Family“ rund um den Up nutzen, um ab 2013 die ersten E-Fahrzeuge anzubieten.

Langfristig ergäben sich große Chancen für das Elektroauto. „Es wird die Zukunft der individuellen Mobilität entscheidend prägen“, sagte Winterkorn. Spätestens in einem Jahrzehnt wolle Volkswagen „nennenswerte Stückzahlen“ von reinen Elektroautos zu bezahlbaren Preisen und mit ausreichend Reichweite anbieten. Der Kunde wolle „mit seinem Fahrzeug von München nach Hamburg kommen oder zumindest bis ins relativ nahe Österreich“, sagte er. Die Ladezeit dürfe nur ein bis zwei Stunden betragen und der Preis dürfe nur 2.000 Euro höher sein als beim Normalwagen. Derzeit läge aber allein der Preis für einen Batteriesatz mit noch geringer Reichweite zwischen 8000 bis 12.000 Euro. VW arbeite gemeinsam mit den Partnern Sanyo, dem japanischen Elektronikkonzern Toshiba und mit dem chinesischen Automobilhersteller BYD an der Technologie. Wegen der noch geringen Speicherkapazität der Batterien, werde der Verbrennungsmotor auch nach Ansicht von Bernd Bohr vom Zulieferer Bosch noch in den nächsten 20 Jahren dominieren. „Der Elektroantrieb ist heute noch sehr teuer und damit kein Massenphänomen“, so Bohr. Benzin und Diesel bleiben auf lange Sicht noch die beherrschenden Treibstoffarten, betonte auch Winterkorn. Als zentrale Probleme benannte er die Batterie, den Preis und die Infrastruktur von Stromtankstellen. „Elektro alleine aber reicht nicht aus“, so der VW-Chef. Mittelfristig werde es einen Mix aus Antriebskonzepten geben, etwa hocheffiziente Verbrennungsmotoren, Erdgasfahrzeuge oder Hybride. Die deutsche Autoindustrie sei in Sachen Elektromobilität zwar frühzeitig aktiv gewesen, habe dann aber nicht konsequent genug weiter gearbeitet, räumte Winterkorn ein: „Und da schließe ich uns bei Volkswagen durchaus selbstkritisch mit ein“. Die deutsche Autoindustrie dürfe sich beim Thema Elektromobilität nicht weiter abhängen lassen und angesichts des weltweiten Wettbewerbs seinen technologischen Vorsprung nicht verlieren. „Deutschland muss bei der Elektromobilität wieder Technologieführer werden, insbesondere bei der Elektrochemie“, betonte er.

Wirtschaftskrise lässt Weltmarkt um 18 Prozent einbrechen

Neben dem technologischen Umbruch stünde die Autoindustrie auch durch die Wirtschaftskrise vor großen Herausforderungen. Volkswagen habe im vergangenen Monat weltweit mehr Autos und Transporter verkauft als vor Jahresfrist. Der Absatz habe im Juni um rund sechs Prozent zugelegt, so Winterkorn. In der ersten Jahreshälfte habe Europas größter Autokonzern 5,1 Prozent weniger Fahrzeuge an die weltweite Kundschaft verkauft als noch vor einem Jahr, während der gesamte Weltmarkt um 18 Prozent eingebrochen sei. Für 2009 prognostizierte Winterkorn einen Rückgang des Gesamtmarkts gegenüber 2007, dem Jahr vor Beginn der weltweiten Absatzkrise, um zwölf Millionen Fahrzeuge auf 47 Millionen Einheiten. „Volkswagen hält Kurs und schlägt sich im Wettbewerbsvergleich weiterhin ordentlich“, sagte der VW-Chef. Dies sei kein Grund zur Euphorie, zeige aber, dass Volkswagen mit seiner Strategie auf dem richtigen Weg sei. Der Konzern mit seinen sieben Pkw-Marken, darunter VW, Audi, Seat und Skoda, der VW-Nutzfahrzeugsparte und dem schwedischen Lkw-Bauer Scania wolle in den nächsten Jahren den japanischen Autobauer Toyota als Weltmarktführer ablösen. Volkswagen profitiere wegen seiner Kleinwagenmodelle stärker als andere Autobauer von der Abwrackprämie.

Zulieferer leiden unter Absatzrückgang

Der dramatische weltweite Absatzrückgang um 56 Prozent in den USA, 31 in Europa und 27 Prozent in Japan besorgt auch die deutsche Zuliefer-Industrie. Der Vorstandsvorsitzende von Continental, Dr. Karl-Thomas Neumann, zeigte sich zwar optimistisch, dass 2010 wieder ein nennenswertes Wachstum zu verzeichnen wäre, allerdings von einem sehr geringen Niveau ausgehend. Seit vier Monaten sei bereits ein kleiner Boom in China zu beobachten, von dem auch die deutschen Autohersteller profitieren. Sein Unternehmen müsse auf die aktuelle Krise reagieren, da das Unternehmen aktuell gut 30 Prozent zu groß sei.

Elektroautos stellen das ganze Auto auf den Kopf

Ungeachtet der Krise sei das Thema Nachhaltigkeit und CO2-Reduzierung der Megatrend der nächsten Jahre, betonte Neumann. „Die Elektrifizierung des Antriebstrangs wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen“, sagte er. Neumann schloss sich Winterkorn an, dass Elektroautos in nächster Zeit nicht dominieren würden, allerdings die Elektrifizierung vorangetrieben werde und damit der Verbrennungsmotor effizienter und abgasärmer werde. „Der Hybrid wird kommen“, prognostizierte Neumann weiter. Der Voll-Hybrid werde allerdings nur ein Thema für die Oberklasse ein, da er nur hier finanzierbar sei. Das reine Elektroauto werde dagegen klein und ein anderes Mobilitätsbedürfnis befriedigen. Für die Zulieferer bestünde zurzeit das Problem, dass alle Hersteller im Moment mehrere Konzepte verfolgten und die Zulieferer auf alle Elektrokonzepte flexibel reagieren müssten. Continental versuche mit einem Baukasten-System Antworten zu geben und die Elektrifizierung in die Getriebe zu integrieren. Eine technische Herausforderung sei dabei die Elektronik bei der Beladung der Fahrzeugbatterien. Hier wäre die Frage zu stellen, ob diese Elektronik zwingend im Wagen integriert werden müsse, oder ob diese nicht auch an den Ladestationen selbst eingefügt werden könne. Besonders bei den Vorstellungen, Elektroautos als Speicher in intelligenten Stromnetzen einzusetzen, seien noch viele Fragen offen. „Elektroautos stellen das ganze Auto auf den Kopf“, so der Continental-Chef weiter. Klimaanlagen müssten ebenso überdacht werden, wie Navigationssysteme, Bremssysteme und vieles mehr. Da besonders China auf das Elektroauto setze, dürfe die deutsche Auto-Industrie diesen Trend nicht verschlafen. Bestimmt würde das Tempo der Entwicklung durch die Batterietechnik und den Preis für diese. „Die Menschen haben den Traum vom CO2-freien Fahren und wir müssen den Traum erfüllen“, betonte Neumann weiter. Die Auto-Industrie müsse lernen, dass die Menschen heute Mobilität zu einem kleinen Preis fordern und nicht unbedingt ein Auto in der herkömmlichen Weise. „Elektroautos brauchen andere Geschäftsmodelle und sind für andere Bedürfnisse gemacht“, so Neumann.

Autobranche droht Absturz nach Abwrackboom

Der Auto-Experte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer (Universität Duisburg-Essen) hob die zunehmende Bedeutung von Elektroautos hervor. Insbesondere in den Schwellenländern und China würden neue Antriebskonzepte entscheidend sein. Neben den Elektroautos seien „Billig-Autos“ für die neuen Märkte ein wichtiger Trend. Insgesamt befände sich die Auto-Industrie zurzeit in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Dudenhöffer warnte davor, die aktuell positiven Zeichen nicht zu überschätzen, da es einen weiteren massiven Auftragsrückgang nach dem Auslaufen der Abwrackprämien geben werde. „Nächstes Jahr bricht uns die Welt zusammen“, sagte Dudenhöffer. Die Neuzulassungen könnten dann von 3,4 Millionen auf 2,8 Millionen sinken, zahlreiche Insolvenzen seien absehbar. „Die Abwrackprämie ist ein Riesenrisiko“, so der Experte. Jochen Homann, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, schloss eine Verlängerung der Prämie aus. Zum Jahresende werde die Prämie unwiderruflich auslaufen. Im vergangenen Monat hatte der Branche die Abwrackprämie für alte Autos zu einem Verkaufsrekord verholfen. Die Neuzulassungen in Deutschland erreichten mit 427 000 Fahrzeugen den höchsten Juni-Wert seit der Wiedervereinigung. Im Vergleich zum Vorjahresmonat war das ein Plus von 40 Prozent. Homann betonte, die Branche müsse sich schon jetzt für die Zeit danach aufstellen. „Nicht nur Opel braucht ein tragfähiges Zukunftskonzept, sondern die ganze Autobranche.“

Bundesregierung erwartet baldige Lösung für Opel

Die Bundesregierung rechne mit einer baldigen Einigung zwischen dem US-Konzern General Motors und dem kanadischen Zulieferer Magna in den Verhandlungen um Opel, sagte der Staatssekretär weiter. Homann zeigte sich zuversichtlich, dass es bis Mitte Juli einen Businessplan geben werde. „Man kann sicher das eine oder andere Fragezeichen sehen, ohne das Konzept völlig infrage zu stellen“, sagte er mit Blick auf einige offene Punkte des Sanierungskonzepts des Zulieferers Magna. Zu klären seien etwa noch die Aussichten für Opel auf dem russischen Markt. Unklar ist nach Angaben Homanns außerdem, wie viele andere Hersteller Magna mit dem Autobau beauftragen könnten. Ob Magna und die ehemalige Opel-Mutter GM wie geplant Mitte Juli einen Vorvertrag abschließen könnten, ließ er offen. Um auch noch alternative Bieter bei der Stange zu halten, gewährt GM auch dem chinesischen Hersteller BAIC und dem Finanzinvestor RHJ International Einblick in die Opel-Bücher. Homann rief alle Interessenten dazu auf, Konzepte vorzulegen, die wirtschaftlich tragfähig und mit den Vorgaben von Bundesregierung und der EU vereinbar seien. Die EU werde die Opel- Beihilfen von insgesamt 4,5 Milliarden Euro sehr genau prüfen. Dass die EU-Kommission bei ihrer Prüfung standortbezogene Vorgaben mache, könne er sich jedoch nicht vorstellen.

Kooperationen zwischen den Premium-Marken

BMW sieht sich nicht als ein Kandidat für Staatshilfe. Eine Bürgschaft vom staatlichen Bankenrettungsfonds SoFFin werde BMW ziemlich sicher nicht beantragen, sagte BMW-Finanzvorstand Friedrich Eichinger. „Wir sind jetzt nicht in einer Notlage“. Die Option habe man sich angesichts der schwierigen Lage auf den Kapitalmärkten offengehalten. Wegen der inzwischen eingetretenen Entspannung sei ein solcher Schritt derzeit nicht notwendig. Die Kooperationsgespräche der Autobauer BMW und Daimler schreiten voran, bemerkte Eichinger weiter. „Kooperationen sind ein Thema und ein Teil unserer Strategie. Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, sagte er. „Noch im laufenden Jahr hoffe er hier Fortschritte verkünden zu können. Die seit langem laufenden Verhandlungen der Münchener mit den Stuttgartern würden zumindest in der Oberklasse noch vertieft. „Wir werden im oberen Segment sicher noch weiter und intensiver mit Daimler sprechen“, sagte er. Die beiden Hersteller kaufen seit Herbst vergangenen Jahres gemeinsam ein. Dabei geht es bislang lediglich um eine zweistellige Zahl von Komponenten. Eichinger sagte, ein gemeinsames Einkaufsvolumen von einer Milliarde Euro sei erreichbar. Auf dem Feld der Finanzen schließe BMW Kooperationen aus.
Die rund 150 Teilnehmer der diesjährigen Handelsblatt Jahrestagung „Die Automobil-Industrie“ lobten die Veranstaltung nicht nur für die mutige Themensetzung, sondern auch für die vielen Möglichkeiten, mit den Entscheidern der Branche ins Gespräch zu kommen und über die Erfahrungen mit der Krise und mit der Entwicklung von Elektromotoren zu diskutieren.

(Quellen: Handelsblatt, Reuters, AP, dpa)

Presseinformation von EUROFORUM vom 09. Juli 2009

EUROFORUM – ein Geschäftsbereich der Informa Deutschland SE
Konzeption und Organisation für Handelsblatt Veranstaltungen
Prinzenallee 3
40549 Düsseldorf

Quelle Text: EUROFORUM | Pressefotos unter: http://www.konferenz.de/fotos-auto09-pr

Hinterlasse einen Kommentar


Anzeige